blind

Wilhelm Furtwängler (1886-1954)

Es lag etwas Göttliches in dieser langen, durchsichtigen, verletzlichen und seltsamen Silhouette, eine zeitlose Weisheit in seinen Augen, eine kindliche Unschuld in seinem schüchternen Lächeln, in seiner Art den Glauben und das Licht miteinander zu verbinden, das Deutsche und das Allgemein-Humane, die Kraft und die Schwäche, den übernatürlichen Instinkt und die irdische Neigung zum Irrtum.

Über seine Talente als Dirigent hinaus, hatte er die Gabe, in sich ungreifbare Energien zu konzentrieren, urtümliche Schwingungen und eine Zärtlichkeit des Klangs, die uns seine Arbeit so kostbar macht.

Es gibt (und gab) bessere Orchesterleiter in einem besonderen Stil - für Bach, Strawinsky oder Hindemith - doch jedes relative Mißlingen bei Furtwängler ist aufschlußreich, nicht auf Grund eines blinden Fanatismus, sondern weil wir die Skizzen, die Versuche, die mißlungenen Arbeiten eines vom Göttlichen inspirierten Malers einem perfekt vollendeten Werk der Mittelmäßigkeit vorziehen.

Selbst in den Aufnahmen, die vom Standpunkt des modernen Perfektionismus aus gesehen, Mängel haben, überrascht uns ein Umstand : die Präsenz wird im Klang konkretisiert. Der Furtwängler-Klang war nicht schön in dem Sinne von Perfektion, Reinheit und Vollkommenheit : in der Verletzlichkeit der Unvollkommenheit hatte der Klang Furtwänglers immer den einfachen Vorzug, "lebendig" zu sein. Wenn man bedenkt, daß lebendig zu sein eine geheiligte Eigenschaft ist, dann liegt etwas Heiliges in allem, was uns Furtwängler hinterlassen hat.

War er unfehlbar? Gewiß nicht. War seine Arbeit mehr als das, angesiedelt, oder von dorther kommend, in einem Universum, wo die Unfehlbarkeit als Kriterium keinen Bestand mehr hat?

Es ist uns gestattet, dieses zu glauben.

Samir Golescu (Übersetzung Hermann Ebeling)

Wilhelm Furtwängler